Vergangene Tage

Geschichte

 

Auf den nachfolgenden Seiten wollen wir alle uns vorliegenden geschichtlichen Informationen zum Haus aber auch zu den Bewohnern und deren Umfeld der Villa Schmidt veröffentlichen. Um das Geschichtspuzzel mit den vielen fehlenden Teilen zusammensetzen zu können, haben wir die Daten in Themengebiete bzw. zeitliche Umbrüche aufgeteilt. Wenn der interessierten Leserin oder dem interessierten Leser hierzu noch etwas einfällt oder sich in dem ein oder anderem Fotoalbum noch Schätze finden sollten, freuen wir uns selbstverständlich immer, wenn wir fehlende Teile Stück für Stück ergänzen können. Falls etwas falsch dargestellt oder im geschichtlichen Kontext nicht ganz korrekt sein sollte, immer raus damit, es darf auch gern diskutiert, gemeckert und verbessert werden. Insgesamt sollen die nachfolgenden Ausführungen keine strenge geschichtliche Abhandlung enthalten, sondern vielmehr etwas aus der Zeit über und rund um die Villa und deren Erbauer möglichst unterhaltsam erzählen.

 

So und nun viel Spass beim schmöckern.

 

Ein Teil der nachfolgenden Bilder und Daten wurden uns von den Schlettweiner Heimatforschern Yves Günther und Christian Winner sowie dem Öpitzer Ortschronist Bernd Wagner zur Verfügung gestellt. Vielen Dank hierfür.

1960 reicht der Maurermeister Karl Michael Schmidt aus Pößneck einen Konzenssionsgesuch zur Anlegung einer Gipsmühle bei Schlettwein ein.

Die Schlettweiner Gipsmühle und Ziegelei wurde 1863 von Ferdinand Louis Schmidt, kurz F.L. Schmidt, im Zuge der neuen Gewerbefreiheit von 1861 am „Tauschhügel“ in Schlettwein gegründet. Anfangs waren nur 4 bis 5 Arbeiter beschäftigt.

1870 wird von F.L. Schmidt eine zusätzliche Gipsbrennerei mit kontinuierlichem Kalkofen errichtet.

1872 wurde die Ziegelei aufgegeben, da der Tontransport vom „Faulrod“ im Nordwesten Schlettweins zu aufwendig war. Der Gips hingegen kam per Pferdefuhrwerk aus der zwei Kilometer entfernten Öpitzer und Schlettweiner Flur. Hierbei wurden circa 600 kg Gips pro Tag produziert. Zunächst wurde der Gips nur gemahlen. Später wurde gebrannter Form- und Modelgips an die keramische Industrie geliefert und zudem Bau- und Düngegips vertrieben.

1873 wurde eine portable 8 Ps Dampfmaschine (Lokomobile) aufgestellt um die Produktivität zu erhöhen. Die Anzahl der Mitarbeiter, in der jetzt fabrikmäßigen Gipsherstellung, wuchs auf 9 bis 12 bis Arbeiter an.

Abbildung ?? – Beispiel der Aufstellung einer portablen Dampfmaschine – Lokomobil Nr. 2, auf Tragfüßen, 1862 (R. Wolf, Magdeburg) – Quelle: SLUB / Deutsche Fotothek

1878 wurde eine stationäre 35 Ps Dampfmaschine mit Kesselhaus und und Schornstein installiert. Die Anzahl der Mitarbeiter steigt auf 14 Mann an.

Nach dem Tod von F.L. Schmidt wird die Gipsfabrik im Mai 1887 zunächst von der Wittwe Ida Schmidt geb. Winter und deren Sohn Kfm. August Hermann Otto Schmidt als eingesetzter Prokurist weitergeführt. Abbildung ?? zeigt die entsprechnende Eintragung in den „Deutschen Reichsanzeiger“.

Abbildung ?? – Ausschnitt aus dem „Deutschen Reichsanzeiger“ Firmenübernahme von Ida- und Otto Schmidt nach Ableben von F.L. Schmidt – Quelle: „Deutscher Reichsanzeiger“ vom 12.05.1887

Im Juni 1904 besucht eine Kommission des Kaiserlichen Gesundheitsamte Pößneck und hier unter anderem die Gipsfabrik F.L. Schmidt. Im nachfolgenden Bericht ist zu lesen, dass das Gipswerk und der Betrieb der Dampfmaschine das Wasser nicht ungünstig beeinflusst.

Abbildung ?? – Besichtigung der Gipsfabrik F.L. Schmidt – Quelle: Ausschnitt „Arbeiten aus dem Kaiserlichen Ggesundheitsamte“ vom 28.06.1904

Am 05. November 1908 wird Kfm. O. Schmidt zum Inhaber der der Schlettweiner Gipsfabrik (Abbildung ??). Im gleichen Zeitraum könnte die Photographie aus Abbildung ?? entstanden sein. Sie zeigt die Schlettweiner Gipsfabrik mit der Fabrikantenvilla O. Schmidt im Hintergrund.

Abbildung ?? – Ausschnitt aus dem „Deutschen Reichsanzeiger“ Firmenübernahme von Ida- und Otto Schmidt nach Ableben von F.L. Schmidt – Quelle: „Deutscher Reichsanzeiger“ vom 09.11.1908

Abbildung ?? – Ostansicht Gipsfabrik F.L. Schmidt ca. 1908 – Quelle: Christian Winner

Durch den raschen Wachstum der keramischen Industrie steigt die Produktion 1909 auf 10 Tonnen ungebrannten- und 30 Tonnen gebranten Gips pro Tag an. Die Anzahl der Arbeiter erhöht sich auf 32 Mann. Geliefert wird innerhalb Deutschlands nach Thüringen, Bayern, Sachsen und Böhmen aber auch im Ausland findet der Schlettweiner Gips und seine daraus Hergestellten Formteile vermehrt Abnehmer. So wird auch ins Ausland nach Holland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Italien und sogar nach Rußland und in die Vereinigten Staaten von Amerkika Schlettweiner Gips geliefert. Abbildung ?? zeigt Werbeanzeigen der Schlettweiner Gipsfabrik aus verschiedenen Industriezeitungen.

Abbildung ?? – Werbeanzeigen der Gipsfabrik F.L. Schmidt – Quellen: Sprechsaal 1912, Tonindustrie-Zeitung 1880, Keramische Rundschau 1914, 1917 & 1919

Am 30. Oktober 1909 verkauft O. Schmidt die väterliche Gipsfabrik an Kfm. Adolf Büttner, Kfm. Max Büttner und den Kupferschmiedemeister Friedrich Schäfer. Diese führen die Gipsfabrik als offnene Handelsgesellschaft OHG unter dem Namen „F.L. Schmidt“ weiter. Die Abbildung ?? zeigt die Umschreibung des Unternehmens im „Deutschen Reichsanzeiger“ von 1909. Der Verkaufspreis lag bei 240.000 Mark. Im gleichen Jahr spendet Otto Schmidt der Schlettweiner Schule ein Harmonium im Wert von 100 Mark.

Abbildung ?? – Ausschnitt aus dem „Deutschen Reichsanzeiger“ über Verkauf der Schlettweiner Gipsmühle – Quelle: „Deutscher Reichsanzeiger“ vom 04.11.1909

Abbildung ?? – Ausschnitt aus dem „???“ über Verkauf der Schlettweiner Gipsmühle – Quelle: Bernd Wagner

1917 stirbt der Gesellschafter Kfm. Max Büttner.

Keramische Rundschau 1917

1919 tritt Adolf Büttner aus der offenen Handelsgesellschaft aus. Sein Nachfolger wird der Braumeister Franz Büttner.

Keramische Rundschau 1919

Am 3. Juli 1924 brennt aufgrund einer Kohlenstaubexplosion auf dem Firmengelände eine Scheune nieder. Bei den anschließenden Löscharbeiten verliert ein Heizer der Gipsfabrik sein Leben. In den nachfolgenden Zeitungsartikeln der Abbildung ?? steht hierzu:

Pößneck-Schlettwein, 3. Juli. Schadenfeuer. Ein Kohlen-Lagerschuppenbrand brach heute gegen 1/2 12 Uhr in der Gipsfabrik F.L. Schmidt im Ortsteil Schlettwein aus, der aber dank des raschen Eingreifens der Schlettweiner, Oepitzer und Pößnecker Feuerwehren sowie der Dampfpumpe der Gipsfabrik keine weitere Ausdehnung nehmen konnte. Die Schlettweiner Wehr war mit zwei Werken zur Stelle. Der Brand entstand durch eine Kohlenstaubexplosion, die den Feuermann der Fabrik am ganzen Körper schwer verbrannte. Zwei bald hinzukommende Pößnecker Aerzte nahmen sich des Verletzten an und Pößnecker Sanitäter brachten ihn danach ins Pößnecker Krankenhaus. Es muss lobend anerkannt werden, in welch selbstloser Weise sich besonders Einwohner aus den Oerten Schlettwein und Oepitz, die wegen ihres vorgeschrittenen Alters nicht mehr zur Wehr gehörten, aus ersterem Orte sogar Frauen, an der Löscharbeit beteiligten da die wehrpflichtigen Männer ja zum größten Teil noch in den Pößnecker Fabriken beschäftigt waren. 12 Uhr Mittags war nach kaum 3/4 stündiger Branddauer bereits die Gefahr der Ausdehnung beseitigt. Die beiden niedergebrannten Gebäude – Scheune und Nebengebäude – sind schon älteren Ursprungs. Der Materialschaden ist aber immerhin ziemlich beträchtlich, da größere Mengen Kohlen dem Feuer zum Opfer fielen. Schlettwein, 3. Juli.

Eine weitere Meldung besagt: Durch Explosion entstand heute vormittag ein Schadenfeuer in dem Gipswerk F.L. Schmidt, wodurch die Scheune und ein Nebengebäude eingeächert wurden. Die Ursache ist eine ganz seltene. Der Feuermann R. aus Pößneck war mit dem Schaufeln von Kohlen beschäftigt. Hierbei ist wohl ein Funken durch die Stahlschaufel entstanden, der den Kohlenstaub entzündete, wordurch die Explosion hervorgerufen wurde. Der Feuermann stand im Augenblick in völligem Feuer und schleppte sich brennend noch einige Meter davon. Seine Arbeitskollegen leisteten die erste Hilfe; die Sanitätskolone verband. Der ganze Körper ist hart verbrannt. Der Verletzte wird vom Arbeitgeber als ein fleißiger, braver Arbeiter geschildert und wurde dem Krankenhaus zugeführt. Die Feuerwehren haben bei dem Brand sehr anerkennenswert gearbeitet. Der Betrieb der Gipsfabrik erleidet erfreulicherweise keine Unterbrechung.“

„Pößneck, 3. Juli. (Feuer) Heute Mittag 1/2 12 Uhr entstand in der zur Gipsfabrik Schlettwein gehörenden Scheune Feuer, das sehr schnell einen gefährlichen Umfang annahm, sodaß Großfeuer allarmiert wurde. Die Ursache des Feuers ist eine Kohlenstaub-Explosion. Die Scheune wird als Niederlage und Lagerraum für Kohlen benutzt; der Heizer war dabei, einige große Kohlenstücke mit der Kohlenschaufel zu zertrümmern; vermutlich sind dabei Funken entstanden, die die mit Kohlenstaub gesättigte Luft entzündeten. Der Heizer, Herr Oswald Retter in Pößneck, Markt 4 wohnhaft, erlitt schwere Brandwunden; vom Kopf bis zu den Füßen ist ihm Haut verbrannt, sodaß er nach Anlegung eines Notverbandes ins Krankenhaus gebracht werden musste. Die Löschung des Feuers wurde von den Wehren aus Schlettwein, Oepitz und Pößneck mit Nachdruck betrieben, und es gelang auch eine Ausbreitung auf das Fabrik- und Wohngebäude zu verhindern. Selbst die großen Kohlenstapel konnten gehalten werden, dagegen ist die Scheune niedergebrannt.“

„Pößneck, 5. Juli. (Ausgelitten) Der Feuermann Retter, der beim Brand in der Gipsfabrik Schlettwein durch Brandwunden schwer verletzt wurde, ist im Krankenhaus seinen Leiden erlegen.“

Abbildung ?? – Zeitungsausschnitte nach dem Brand der Schlettweiner Gipsfabrik am 03.07.1924 – Quelle: Bernd Wagner

Am 20. März 1928 wird die OHG aufgelöst und der Gesellschafter Friedrich Schäfer zum alleinigen Inhaber der Firma „F.L. Schmidt“. Dieser setzt den Kfm. Heinz Börgardts am 04.08.1928 als Prokuristen ein.

Abbildung ?? – Ausschnitt aus dem „Deutschen Reichsanzeiger“ über die Auflösung der OHG – Quelle: „Deutscher Reichsanzeiger“ vom 28.03.1928

Zwischen 1929 und 1935 ging die Gipsfabrik „F.L. Schmidt in Pößneck-Schlettwein“ als Zweigniederlassung in die OHG „Krölpaer Gipswerke O. Mohr“ über. Friedrich Schäfer blieb haftender Gesellschafter.

1932 erwarb Friedrich Schäfer die „Obere Spinnerei“ in Öpitz und baute sie zur Gipskocherei aus wodurch die Produktionskapazität der Schlettweiner Gipsfabrik eingeschränkt wurde.

Im Januar 1935 ging die Firma F.L. Schmidt ebenfalls als Zweigniederlassung in die Kommanditgesellschaft „Thüringer Gipswerke“ über.

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Nach 1940 ??? folgte die Insolvenz der „Thüringer Gipswerke Krölpa KG. Mit der Insolvenz wurde auch die Schlettweiner Zweigniederlassung geschlossen.

1952 wurde der an die Gipsfabrik angrenzende Garten mit Gartenhäuschen verkauft. Das Gartenhäuschen steht heute noch. Im gleichen Jahr ziehen Erna und Rudi Gebelein mit Ihren Kindern in die Gipsfabrik ein.

Abbildung ?? – Erna und Rudi Gebelein in der Schlettweiner Gipsfabrik 1955 – Quelle: Bernd Wagner

Abbildung ?? – Anneliese und Rudi Gebelein am Bach vor der Schlettweiner Gipsfabrik – Quelle: Bernd Wagner

Abbildung ?? – Anneliese und Rudi Gebelein in der Schlettweiner Gipsfabrik 1960 – Quelle: Bernd Wagner

Die Gebäude der Gipsfabrik verfielen zusehens und wurden teilweise abgerissen. 1962 erfolgte die Sprengung des letzten Schornsteins. Teile der alten Fabrik wurden in der damaligen DDR noch als Altstoffhandel genutzt. Kurz nach der deutschen Einheit hat auf dem Platz ein „Buschmeyer“ Supermarkt eröffnet, welcher sich nur wenige Jahre hielt.

1990 wurden die restlichen Gebäude der ehemaligen Gipsfabrik „F.L. Schmidt“ endgültig abgerissen.

Verblieben ist nur noch die Fabrikantenvilla im Krietschenweg 33, das Gartenhäuschen sowie eine Drehpendeluhr und ein Bierkrug. Die Uhr und der Bierkrug wurden dem Schlettweiner Gesangsverein vom ehemaligen Besitzer Otto Schmidt gestiftet.

Das Grab von Herrn Schmidt (welchem?) liegt an der Billugsmauer ????????? -> Foto machen!!! auch vom Gartenhäuschen!!!

Der Bau der Villa Schmidt

Die Villa des Fabrikantenbesitzers August Hermann Otto Schmidt wurde im Jahre 1906 geplant und 1908 fertiggestellt. Wie damals nicht ganz unüblich, wurde der Bau auf einer Erhöhung mit Sicht auf das Fabrikgelände und den Ort errichtet, was sicherlich einem kurzen Arbeitsweg und einer schönen Aussicht zuträglich war. Zudem hatte man seine hoffentlich fleißigen Arbeiter so besser im Blick, während man auf dem Balkon seinen Kaffee schlürfte und nebenbei die Zeitung las (letzteres hat der Autor frei erfunden, weil es seine großbürgerlichen Vorstellung der damaligen Zeit entspricht). Die nachfolgende Abbildung ??? zeigt einen Zeitungsausschnitt zu Baubeginn.

Abbildung ?? – Zeitungsausschnitt Bau der Villa Schmidt 05.09.1906 – Quelle: Bernd Wagner

Baumaterial wurde auch damals schon gestohlen. Die abenteuerliche Verteidigung einer Dachrinne erzählt die folgnde Geschichte aus Abbildung ???.

Abbildung ?? – Zeitungsausschnitt versuchter Dachrinnendiebstahl 24.04.1906 – Quelle: Bernd Wagner

Die Villa hat der in der Region damals sehr umtriebige Architekt Paul Schenk entworfen und später auch gebaut. Die frühen Entwürfe des Herrn Architekten sind uns zum Glück erhalten geblieben und können in den nachfolgenden Zeichnungen bestaunt werden.

Damals hat man noch etwas mehr Aufwand betrieben bei der Zeichnungserstellung und auch Details wie Materialstrukturen, Schornsteinqualm sowie große Teile der Inneneinrichtung mit dargestellt. Blatt 1a des Erstentwurfes, aus Abbildung ??? zeigt die Ostansicht der Villa und den Grundriss des Erdgeschosses in denen die Herrschaften Schmidt mitsamt Gefolgschaft einziehen sollten.

Über den nordöstlichen Haupteingang gelangt man zunächst ins Treppenhaus und von da in die Diele von der aus man Zugang in jedes andere Zimmer hat. Heutzutage würde die Diele wohl eher als Hausflur bezeichnet werden. Das Besondere an der Anordnung ist, dass man zumindest bei den Räumen der Herrschaften wie Salon, Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer und Bad nicht über die Diele gehen muss, da jeder Raum auch untereinander verbunden ist. Nur die Toilette und die Küche mit der angeschlossenen Speisekammer bilden hier die Ausnahme. Der schmalere und auch weniger repräsentative Westeingang der Villa wurde vermutlich nur vom Personal genutzt. Dies lässt sich auch anhand der Nähe zur Küche vermuten. Der Unterschied zwischen einem Salon und einem Wohnzimmer liegt übrigens darin, dass im Wohnzimmer eher der Hausbesitzer und dessen Familie Ihre Freizeit miteinander verbingen, während im Salon Gäste empfangen und unterhalten werden. Warum man ausgerechnet beim Gang auf die Toilette über die Diele laufen musste und diese vom Rest des Badezimmers durch eine nichtragende Wand abgetrennt wurde, ist nicht ganz nachvollziehbar.

Abbildung ?? – Zeichnung Erstentwurf Paul Schenk Villa O. Schmidt vom 25.03.1906 – Blatt 1a

Die Abbildung ?? zeigt das Blatt 2a des Erstentwurfes in der die noch fehlenden Außenansichten sowie die Grundrisse der anderen Geschosse dargestellt sind. Hier wurde sich weniger Arbeit beim Skizzieren der Ansichten sowie der Grundrisse gemacht und das Gesamtkonzept wirkt tatsächlich noch sehr unstimmig. Interessant ist die im Untergeschoss der Villa eingezeichnete „Wohnung für den Hausmann“. Wie wir später moch sehen werden, hatte der Hausmann zu seinen sonstigen Tätigkeiten wie Wartungs- und Reparaturaufgaben sowie der Pflege der Außenanlagen unter anderem auch eine Funktion als Heizer zu erfüllen. Man kann die Kellerwohnung des Hausmannes und seiner Familie auch heute noch gut an den hübsch verzierten Türen erkennen. Die Frage, warum sich die Türen im Keller so stark unterscheiden wäre damit zumindest geklärt. Die nicht mit eingezeichneten Räume im Obergeschoss sowie der Dachboden waren vermutlich für die anderen Bediensteten vorgesehen. Die noch mit aufgeführte Waschküche grenzt an diese Zimmer.

Abbildung ?? – Zeichnung Erstentwurf Paul Schenk Villa O. Schmidt vom 25.03.1906 – Blatt 2a

Die endgültige Bauzeichnung entstand im August 1906. In der Bauphase wurden auch hier noch Änderungen vorgenommen die man wohl bei der Planung nicht berücksichtigt hatte. Als wesentlichste Änderungen sind hierbei die Erhöhung des Treppenhauses, die ein oder andere zusätzliche Gaube, versetzte Fenster sowie eine andere Aufteilung der Kellerräume zu nennen. Welche der auf der in der Zeichnung von Abbildung ?? dargestellten Schmuckelemente tatsächlich umgesetzt wurden ist noch nicht gänzlich geklärt. So ist zum Beispiel unklar, ob die in der Südansicht eingezeichnete Sonnenuhr oder das an der Ostseite dargestellte Hirschgeweih tatsächlich angebracht wurden. Lange Zeit war auch nicht sicher, ob die verspielten Schornsteinhäuschen wirklich den Schornsteinkopf gekrönt haben. Dazu kommen wir aber später noch.

Abbildung ?? – Bauzeichnung Paul Schenk Aussenansichten Villa O. Schmidt vom August 1906 – Blatt 8a

Die Abbildung ?? des Stadtarchives Pößneck zeigt die Grundrisse der einzelnen Geschosse. Die Raumaufteilung unterscheidet sich nicht wesentlich vom Erstentwurf. Lediglich im Keller und im Obergeschoss wurden weitere Räume allgemein mit Keller oder Zimmer bezeichnet. Weiterhin wurden in die Zeichnung viele kleine Details wie die Lage der Balken und Deckenträger sowie das Abwassersystem mit aufgenommen. Leider ist die Inneneinrichtung bis auf die Öfen, die Badewanne und die Toilette nicht mit eingezeichnet wurden.

Abbildung ?? – Bauzeichnung Paul Schenk Grundrisse Geschosse Villa O. Schmidt vom August 1906 – Blatt 9a

Soweit so gut, die bisherigen Dokumente waren vorhanden oder konnten in Archiven oder über die Thüringer Denkmalbehörde beschafft werden. Wie sah jetzt aber die Villa wirklich aus? Was wurde aus den Bauzeichnungen umgesetzt und was nicht? Wie war die Farbgestaltung der Fassaden und wo wurden welche Materialien genutzt? Etwas Licht ins Dunkle brachte die nachfolgende doppelt belichtete Photographie der Abbildung ??. Das genaue Jahr der Erstellung ist unbekannt, jedoch lässt sich anhand der noch vorhandenen Dachaufbauten erkennen, dass die Aufnahme vor 1956 gemacht wurde, da in diesem Jahr die Villa verkauft und danach „instandgesetzt“ bzw. in Ihrem Erscheinungsbild verändert wurde. Was ist auf dem Bild erkennen? Zunächst fällt auf, das die Fassade der Ostseite sowie die Verzierungen am Balkon (Feld 05) sich mehrfarbig abheben. Weiterhin gab das Bild einen ersten Indiz dafür, wie die Schornsteine und deren Zierköpfe (Feld 03) tatsächlich ausgeführt wurden. Auch die Seitenansicht des Treppenhausdaches in seiner langezogenen Zwiebeform (Feld 04) war hier deutlich sichtbar. Fragen womit dieses eingedeckt war, blieben alledings bestehen. Bei sehr genauem hinschauen lässt sich auch eine zusätzliche Toilettengaube (Feld 02) auf der Nordostseite erkennen, welche nicht im Bauplan aufgeführt wurde. Wenn man noch etwas länger und genauer hinschaut ist auch die nordwestliche Gaube mit ihrer Zwiebelhaube (Feld 01) zu finden.

Abbildung ?? – Photographie Nordostansicht Villa O. Schmidt Aufnahmedatum vermutlich vor 1956

Im September 2021 ist Herr Enkelmann vom Pößnecker Heimatverein an uns herangetreten. Er hatte einen Zeitungsartikel in der Baugwerkszeitung von 1908 gefunden, in dem es um den Bau der Villa O. Schmidt geht. Wie sich im Nachhinein herausstellte war dies unser bisher größter Fund an Informationsmaterial über den Bau der Villa sowie dessen Ausführung. Die nachfolgenden Abbildungen ?? bis ?? zeigen den Zeitungsartikel aus der Baugewerks-Zeitung.

Der folgende Text aus der Baugewerks-Zeitung Nr.18 aus dem Jahr 1908 wurde zur beseren Lesbarkeit von der Frakturschrift in den Blogtext umgewandelt.

Villa des Herrn Fabrikbesitzers O. Schmidt in Schlettwein b. Pößneck.
Architekt: Paul Schenk-Oppurg i. Thür.

Der Verfasser des Entwurfs der Villa heutiger Nummer wurde zuerst zur Wahl eines geeigneten Bauplatzes für diese zugezogen. Ausschlaggebend für die Wahl desselben war möglichst freie Lage mit schöner Aussicht über die industriereiche Stadt Pößneck und das sich dahinter aufbauende Oberland. Das völlig frei liegende Terrain und die Größe des Grundstückes ließen eine Orientierung der einzelnen Räume, wie sie der praktischen Benutzbarkeit am besten entsprechen, zu. Die Anforderung, die gestellt wurde, war ein Einfamilienhaus mit Hausmannswohnung.

Im Untergeschoß, dessen Fußboden nach Nordosten zu ziemlich dem Terrain gleichliegt, wurde die Hausmannswohnung und die Heizung untergebracht, während die nach Westengelegenen Keller-räume teilweise bis über die Hälfte in das Terrain eingeschnitten sind.

Im Erdgeschoß, dem eigentlichen Wohngeschoß, ist ein Schlafzimmer nach Osten gelegen, daran anschließend nach Süden Wohn-, Speisezimmer und Salon. Die Küche und Speisekammer blicken nach Nordwesten. Alle diese Räume gruppieren sich um die wohnlich ausgestattete Diele. An das Schlafzimmer schließt sich das Bad an.

Das Wohnzimmer, von dem wir in der nächsten Nummer eine Innenansicht bringen werden, ist in drei Teile gruppiert. Im Hauptraum ist der Tisch mit Sofa, sowie noch Schreibtisch und Klavier untergebracht. Nach Südosten ist ein Erkersitz, von welchem bei geschlossenem Fenster die Aussicht auch im Winter zu genießen ist. Diesem Raum ist noch eine Veranda zur Benutzung bei schönem Wetter rundum vorgelegt, nach welcher auch vom Schlafzimmer aus eine Tür führt. Nach Süden zu ist ein Wintergarten angeordnet, welcher, mit Blumen ausgestattet, einen gemütlichen Sitz zum Plaudern bietet.

Im Obergeschoß befinden sich Schlaf-, Fremdenzimmer und Mädchenkammer.

Das Haus ist mit Zentralheizung versehen. Das Wasser wird von einem einige Meter entfernten Brunnen in ein Reservoir im Dachgeschoß gepumpt. Die Aborte sind mit Wasserspülung eingerichtet.

Das Äußere ist der freien Lage wegen lebhaft gruppiert. Der Aufbau, den auch eine gezeichnete Perspektive in der folgenden Nummer wiedergeben wird, entwickelt sich organisch aus dem Grundriß, und es ist mit dem umliegenden parkartigen Garten, der erst später, nach der Aufnahme der nebenstehenden Photographie, angelegt wurde, eine malerische Wirkung erreicht.

Die Ecken des Sockels sind aus Muschelkalkstein, die Flächen aus Plattenkalkstein als Bruchsteinmauerwerk behandelt. Die massiven Umfassungswände sind mit Terranova geputzt und teilweise durch rot gestrichenes Fachwerk unterbrochen. Die sonstigen Architekturteile, Sohlbänke, Säulen, Giebelabdeckungen usw., sind aus Kronacher Sandstein.

Die Decken sind bis zur Kehlbalkenlage als Kleinesche Decken zwischen I-Trägern ausgeführt und mit Gipsestrich sowie Linoleum belegt worden. Das Hauptdach ist mit roten Regensburger Biberschwänzen von Gebr. Zienstag als Doppeldach, die Zwiebeldächer sind mit rötlichem französischem Schiefer auf deutsche Art gedeckt. Teilweise sind die Zimmer mit Vertäfelung und angetragenen Stuckdecken ausgestattet. Die Heizkörper sind teilweise als Kachelkamine ausgebildet. Im allgemeinen ist auf einfache, nicht prunkhafte, dafür aber gediegene Ausstattung in durchaus echten Materialien Wert gelegt und dieser Grundsatz auch durchgeführt. Die Baukosten belaufen sich auf etwa 50 000 Mk.

Wieviel 50.000 Mark damals ungefähr wert waren, zeigt ein kurzer Vergleich des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Dieses lag 1908 im Durchnitt bei 84 Mark im Monat. Im Jahr 2020 betrug der durchschnittliche Nettolohn 2087 Euro pro Monat also ungefähr Faktor 25. Demnach hätte der Bau der Villa umgerechnet ungefähr 1.250.000 € gekostet, was auch plausibel wäre. Auch spannend, wenn man den gleichen Vergleich mit dem Brotpreis von 0,50 Mark zu derzeit 4 Euro durchführt, würde die Villa heute nur 400.000 € kosten. Das zeigt sehr gut, dass wir heute deutlich weniger für Lebensmittel ausgeben als dies um 1900 der Fall war.

Der zum ersten Mal im Artikel angesprochene Brunnen, welcher durch die Berglage eine respektable Tiefe von 14 Metern erreicht, wurde also tatsächlich auch für die Wasserversorgung des Hauses genutzt. Die bunkerähnliche Brunnenstube besteht bis heute und ist in keinem der vorliegenden Baupläne mit aufgeführt worden. So konnten auch die drei Aborte mit Wasserspülung versorgt werden. Gut dass dies hier extra nochmal erwähnt wurde!

Die nach der Fertigstellung der Villa aufgenommene Photographie der Nordostseite aus der Baugewerks-Zeitung Nr.18 ist das älteste uns zur Verfügung stehende Bilddokument. Es ist vermutlich beim Einzug der Familie Schmidt entstanden, wie es der mit Kranz und Bäumen geschmückte Haupteingang vermuten lässt. Im direkten Vergleich zur ebenfalls dargestellten Zeichnung der Ostansicht fällt auf, dass am Treppenhausturm eine zustätzliche Toilettengaube verbaut wurde. Das in den Plänen von 1906 eingezeichnete Hirschgeweih fehlt. Dafür sind die Schornsteinköpfe tatsächlich so verspielt ausgeführt wurden wie sie auch auf den Bauzeichnungen zu finden sind. Wie sich später zeigen sollte, waren diese leider nur von kurzer Lebensdauer.

Abbildung ?? – Baugewerks-Zeitung Nr. 18 – 29. Februar 1908 – S.183

Auf der folgenden Seite wurden die Westansicht sowie die Grundrisse abgebildet. Glücklichweise wurde auch das Interieur in vielen Räumen mit eingezeichnet.

Abbildung ?? – Baugewerks-Zeitung Nr. 18 – 29. Februar 1908 – S.184

Dem aufmerksamen Leser bzw. Betrachter wird vielleicht nicht entgangen sein, dass sich der Grundriss der Kellerräume sowie die Nutzung der Räume im Erd- und Obergeschoss verändert hat. So ist im Keller jetzt die Lage des Heizungsraumes, der Kohlenkeller sowie der Wirtschaftskeller mit eingetragen. Tatsächlich wurde der Wirtschaftskeller später in drei kleinere Räume abgetrennt, wovon der Raum unterhalb der westlichen Auslucht (das ist sowas wie ein Erker nur halt bis zum Boden) als Kohlenkeller genutzt wurde. Der im Grundriss der Zeitung eingetragene Kohlekeller wurde zum Waschkeller ausgebaut. Zudem bekam der Wirtschaftskeller noch einen Räucherofen. Zum Heizen der Villa konnte der Hausmann direkt von seiner Wohnung aus in den Heizraum gehen. Die Ebenfalls eingezeichneten Möbel und Öfen der Hausmannwohnung lassen auch kleine Einblicke in das Leben der Angestellten zu. So finden sich hier vier nicht zusammenstehende Betten. Warum sind die Betten der Eheleute nicht zusammengestellt? Oder hat hier gar keine Familie gewohnt sondern mehrere Bedienstete?

Im Erdgeschoss wurde die Nutzung des Wohnzimmers und des Speise- bzw. Esszimmers getauscht. Dies machte sicherlich Sinn da dann die Gäste direkt vom Salon aus über die prächtige Salontür ins Speisezimmer geführt werden konnten ohne über die Diele oder das Wohnzimmer der Familie gehen zu müssen. Auf der Diele sind zusätzliche Sitzgelegenheiten eingezeichnet, welche vermutlich von Bediensteten oder wartenden Gästen benutzt wurden. Ein Arbeitszimmer für den Hausherrn war wohl nicht vorgesehen.

Im Obergeschoss gab es ein weiteres Schlaf- und Wohnzimmer sowie ein Fremdenzimmer. Auch hier sind wieder alle Zimmer miteinander verbunden und es war möglich über die Zimmer um die Diele herum zu gehen. Die durchgezogene Trennwand zwischen der „Kammer“ und dem „Zimmer“ wurde mit einer zusätzlichen Tür versehen. Dafür konnte man die „Mädchenkammer“ nur höchst offziell über das Treppenhaus betreten. Die im Plan eingezeichnete zweite Tür zur „Mädchenkammer“ wurde nie verbaut.

Der Blick ins innere des Hauses war immer ein großer Wunsch. Wie war die Einrichtung? Wie wurde damals gelebt und wie waren die täglichen Abläufe der Bewohner der Villa? Leider wird ein Großteil dessen im verborgenen bleiben, da zu jener Zeit allgemein weniger Bilder gemacht wurden und wenn dann eher repräsentativ von außen. Umso mehr haben wir uns über das einzige Bild bzw. die einzige Zeichnung der damaligen Räumlichtkeiten aus der Baugewerkszeitung N.19 gefreut. Diese zeigt einen Blick ins lichtdurchflutete Wohnzimmer mit den großen Fenstern, der hübschen Einrichtung und dem angeschlossenen Wintergarten mit Blümchenmuster an den Wänden. Über den Erker gelangt man auf die „Veranda“ (strengenommen ist es ein Balkon da keine Überdachung angebracht wurde) die sich vom Schlafzimmer rund um den Erker bis zum Wintergarten zieht. Erhalten ist vom Interieur nur noch der Stuck an der Decke, die grünen Säulen am Eingang des Wintergartens sowie dessen Deckenlampe.

Die ebenfalls in der Zeitung gedruckte Zeichnung der Südostansicht zeigt auch 1908 noch die am Südgiebel angebrachte Sonnenuhr. Überreste dieser konnten bis heute leider nicht gefunden werden.

Abbildung ?? – Baugewerks-Zeitung Nr. 19 – 04. März 1908 – S.198

All diese Informationen verdanken wir Herrn Enkelman vom Pößnecker Heimatverein, welcher uns diese freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Die nachfolgende Abbildung ?? zeigt die Rückgabe der Zeitung an Herrn Enkelman und seine Familie an der Baustelle der Villa.

Abbildung ?? – Rückgabe der Baugewerkszeitschrift an Herrn Enkelmann mit Familie – Villa Korn 18.10.2021

Villa Kunterbunt – Die Farbgestaltung der Fassaden

Die Farbgestaltung solch eines alten Hauses stellt man sich oft eher etwas altbacken in dunklen Braun- und Grautönen vor. Das dem nicht immer so ist hat die Restauratorin Dana Weinberg im Sommer 2020 nachgewiesen. In einer Fassadenuntersuchung hat sie kleinste Farbrückstände an den verspielten Holzverzierungen der Fassade gefunden und diese analysiert. Die nachflogenden Abbildung ?? bis ?? zeigen Ausschnitte Ihrer spannenden Rekonstruktionsarbeit.

Abbildung ??? – Farbgestaltung Unterseite Erkerturm – Quelle: Dana Weinberg

Abbildung ??? – Farbgestaltung Fensterbrett – Quelle: Dana Weinberg

Abbildung ??? – Farbgestaltung Ortgang – Quelle: Dana Weinberg

Abbildung ??? – Farbgestaltung Säulen Erkerturm – Quelle: Dana Weinberg

Abbildung ??? – Farbgestaltung Eckstütze – Quelle: Dana Weinberg

Abbildung ??? – Farbgestaltung Eckstütze – Quelle: Dana Weinberg

In Ihrem Untersuchungsbericht schreibt sie hierzu:

„Die Holzelemente der Fassaden waren im Gegensatz zur Fondfläche sehr farbintensiv gestaltet
und dadurch als dekorative Elemente besonders betont. Als Grundfarbton war an allen
Bauteilen mit Ölfarbe ein kräftiges Oxidrot gestrichen. Dazu wurden Elemente wie Profile, Stäbe,
Kugeln und sonstige Details der Schnitzereien mit kräftigen Farbtönen in Ockergelb, Grün und
Weiß abgesetzt, teilweise in sehr lebhaftem Wechsel. Schablonierte Ornamente, wie Blattfriese,
stilisierte Blätter und Blüten konnten am Erker nachgewiesen
werden.“

Auch im Inneren wurde fleißig bunt gestrichen. So gab es im Obergeschoß ein mintgrünes, ein weinrotes sowie ein gelbes Zimmer mit gerollten Mustern an den Wänden. Auch die Fenster, Türen, Heizungsnischen sowie die Holzvertäfelungen wurden farbenfroh gestaltet. Selbst die Hausmeisterwohnung im Keller war schick in Ockergelb mit mintgrüner Bordüre gestrichen. Mit je nach Zimmerfarbe wurden auch die Fenster und Türen teilweise zweifarbig ausgeführt.

Irgendwas mit Jugendstil

Art nouveau, Viktorianisch, Jugendstil oder Historismus? Wie war das noch gleich mit den Stilrichtungen? Finstere Erinnerungen aus dem Kunstuntericht kommen in einem hoch. Irgendwas mit Jugendstil ist das doch bestimmt. Das konnte ich mir noch merken und es ist auch nicht verkehrt. Der Architekt Herr Schenk hat aber auch noch Elemente aus anderen Stilrichtungen mit einfliesen lassen. Die Restauratorin Frau Weinberg schreibt hierzu folgendes.

Die Villa Korn, ursprünglich Villa Schmidt, entstand in einer Zeit starker wirtschaftlicher Entwicklung der Stadt Pößneck, in deren Zuge eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen ist und im Stadtgebiet einige villenartige Gebäude entstanden. Die Villa entspricht in ihrer architektonischen Gestaltung dem damaligen Zeitgeist, weist aber dennoch Besonderheiten auf. Das stark gegliederte Gebäude mit Erkern, Risaliten und repräsentativen Giebeln hat Merkmale des englischen Landhausstils (Schmuckfachwerk), andererseits besitzt es Elemente moderner städtischer Architektur (Fensterformen und Fensterachsen). Vordergründig steht es im Kontext zur Architektur des Historismus, weist aber auch in Richtung Jugendstil. Die Villa Korn ist als ein wichtiger Bestandteil des Stadtbildes von Pößneck zu betrachten und vermittelt heute noch die Atmosphäre des Ortes während der Jahrhundertwende und des frühen 20. Jahrhunderts.

Eine sehr alte Garage

Automobilclub Saale Gau

Wer waren die Schmidt’s?

Eine sehr gute Frage. Kfm. August Hermann Otto Schmidt mit Frau Helene Schmidt geborene Reichenbächer

Vater und Mutter Ferdinand Louis Schmidt und Ida Schmidt geborene Winter

Tischendorf???

Der Architekt Paul Schenk und seine Bauten

Informationen über den Architekten Paul Schenk aus Marburg, Oppurg, Soldau oder wahlweise Pößneck finden sich leider nicht allzu viele. Herr Schenk war wohl sowohl in Soldau (heute Działdowo Polen), Marburg als auch in Pößneck und Umgebung sehr umtriebig.

Abbildung ?? – Stempel und Unterschriften Paul Schenk mit Ortsangaben aus Zeichnungen und Zeitungen

Neben der Villa O. Schmidt sowie deren Automobilhalle zählt auch das Schützenhaus in Ranis zu seinen Werken. Das Schützenhaus wurde 1917 in der Pößnecker Str. 49 in Ranis erbaut. Die Nachfolgenden Abbildungen ?? bis ?? zeigen alte Photographien, den Grundriss sowie eine Zeichnung der der Eingangstür des Schützenhauses.

Abbildung ?? – Südostansicht neues Raniser Schützenhaus Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche Bauhütte 1917 S.100

Abbildung ?? – Grundriss neues Raniser Schützenhaus Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche Bauhuette 1917 S.100

Abbildung ?? – Südostansicht neues Raniser Schützenhaus Architekt Paul Schenk – Quelle: Postkarte Aufnahmedatum 1933

Abbildung ?? – Eingangstür neues Raniser Schützenhaus Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche Bauhütte 1917 S.100

In der „Deutschen Bauhütte“ von 1917 (S.110) schreibt er über das neue Schützenhaus in Ranis den nachfolgenden Artikel.

Das Schützenhaus in Ranis.
(Von Architekt Paul Schenk.)
Weite Täler und Höhen! Das ist der Charakter der obern Saale, — Und weiter unten: wer kennt sie nicht, die dort schon ruhiger, zünftiger, reifer gewordene. Die obere Saale, von Saalfeld aufwärts bis Saalburg, ist ganz anders geartet. Hier ist sie noch jung, zurückgezogen, etwas entfernt von den großen Hauptverkehrswegen. Noch wild, feurig, ungestüm zwängt sie sich durch enge Täler, zwischen steilen Hängen hindurch. Hier gärt und schäumt sie noch. Die Umgebung nicht Wald, nein Wälder ansteilen Hängen, so steil, daß vielfach noch die nötigen Abfuhrwege für das jetzt so teure Holz fehlen. Ueberall, wohin man schaut: Abwechslung. Die engen Seitentäler mit schäumenden, sprudelnden Bächen, überall Mannigfaltigkeit in Felsen, Steinen, Blumen. Manche alten Bauwerke, wie die Sorbenburg in Saalfeld, erinnern noch an die Zeit, zu der sie noch Grenzfluß war, zwischen Sorben und Wenden und Karls des Großen Reiche. Das ist die Gegend der obern Saale, des Kreises Ziegenrück, des südlichsten im Regierungsbezirk Erfurt. Die Kreisstadt Ranis ist eine Kleinstadt mit Kleinstadtgepräge. Die Gassen des ältern Stadtteils spiegeln noch das eigne Gemisch von Bürger- und Bauerntum dieser Ackerbürgerstädte und erinnern an die gemütlichen Zeiten des vorigen Jahrhunderts; und drüber herein schaut die Burg und bringt eine eigne mittelalterliche Klangfarbe in dies gemütliche Bild. Der Spiegel der Jahrhunderte liegt über diesen Gassen und führt uns zur Gegenwart. Das alte aus dem vorigen Jahrhundert stammende Schützenhaus, der gesellschaftliche Mittelpunkt dieses Städtchens, in dessen Räumen die Bewohner so manche frohe Stunde verbracht, wurde im März 1912 durch Feuer zerstört. In großzügigerm Sinne wurde ein neues Schützenhaus geschaffen, dessen einzelne Abbildungen wir heute bringen.“

Da „gärt und schäumt es“ in dem ein oder anderen Leser sicherlich auch. Nur gut dass Herr Schenk Architekt und kein Dichter war. Seine Baukunst war augenscheinlich besser als seine poetische Beschreibung über die Saale und deren „Täler und Höhen“.

Ein weiteres bekanntes Bauwerk von Paul Schenk ist das Kontorgebäude mit Betriebswohnung in der Saalfelder Straße 34 in Pößneck. Es handelt sich um die Villa des ehemaligen Lederfabrikanten Karl Gustav Emil Brüderlein (Sohn des Firmengründers Christian Friedrich Emil Brüderlein), welche im Jahr 1907 im Stil der Reformbewegung errichtet wurde. Die Villa wurde im November 2020 von der Stadt Pößneck gekauft und und mit Notinstandsetzungsmaßnahmen gesichert. Eine Grundsanierung soll in den nächsten Jahren noch erfolgen. Durch den jahrelangen Leerstand und Vandalismus durch Einbrecher ist die Inneneinrichtung des Gebäudes stark beschädigt bzw. entfernt wurden. Auch im Außenbereich weist das Gebäude durch den Jahrelangen Sanierungsstau Schäden an Dach, Fenstern und Fassade auf. Abbildung ?? zeigt die Südwestansicht des Kontorgebäudes.

Abbildung ?? – Villa des ehemaligen Lederfabrikanten Emil Brüderlein 2019 – Quelle: Blackcat Photography

Der Frohnhof am Grün 1 in Marburg ist stammt ebenfalls aus der Feder von Paul Schenk. Er wurde von 1899 bis 1900 erbaut. Die Schornsteinhäuschen aus Abbildung ?? und die Säulenornamente aus Abbildung ?? sind ähnlich denen die auch an der Villa O. Schmidt verbaut wurden. Die Abbildungen ?? bis ?? zeigen Photographien des Frohnhofs von 1900 bis 2008.

Abbildung ?? – Fronhof in Marburg um 1900 Architekt Paul Schenk – Quelle: Pinterest

Abbildung ?? – Schornsteinhäuschen – Fronhof Rückseite in Marburg 1974 Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche digitale Bibliothek

Abbildung ?? – Wandverankerung mit Säulenornamenten am Kapitell – Fronhof Rückseite in Marburg 1974 Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche digitale Bibliothek

Abbildung ?? – Fronhof in Marburg 1974 Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche digitale Bibliothek

Abbildung ?? – Fronhof in Marburg 2008 Architekt Paul Schenk – Quelle: Aufnahme Dirk Strohmenger

Weitere Häuser in Marburg finden sich in der Frankfurter-Str. 52-54. Das Wohnhaus wurde 1889 bis 1899 gebaut. Auch hier findet sich nur im oberen Bereich des Hauses Fachwerk sowie ein prächtig gestalteter Erker.

Abbildung ?? – Wohnhaus in Marburg 2001 Frankfurter-Str. 52-54 Architekt Paul Schenk – Quelle: Deutsche digitale Bibliothek

In Zusammenarbeit mit dem Architekten Otto Karl Eichelberg sind zudem 1889 in Marburg in der Wettergasse 15 ein Wohn- und Geschäftshaus entstanden (Abbildung ??). 1891 wurde in der Wettergasse 43 eine Ladenzeile in das bereits vorhandene Wohn- und Geschäftshaus eingebaut oder umgebaut (Abbildung ??). Hierbei handelt es sich wohl um die frühen Schaffensjahre des Architekten und vielleicht war Herr Eichenberg auch soetwas wie sein Mentor. Wann Paul schenk aus Marburg nach Pößneck und Umgebung gezogen ist oder ob er aus Pößneck stammt oder Teile der Familie dort wohnten ist uns nicht bekannt.

Abbildung ?? – Wohn- und Geschäftshaus in Marburg 2021 Wettergasse 15 Architekt Karl Eichelberg & Paul Schenk – Quelle: Google Street View

Abbildung ?? – Wohn- und Geschäftshaus in Marburg 2021 Wettergasse 43 Architekt der unteren Ladenzeile Karl Eichelberg & Paul Schenk – Quelle: Google Street View

Wohnhaus Atorff & Co. In Kirchhain; Arch. Paul Schenk in Oppurg. Im Erdgeschoß Bureauräume und Wohnung für zwei unverheiratete, im Ober- und Dachgeschosse für verheiratete Angestellte einer Holzhandlung. Fachwerkbau in malerischer Anordnung. — Mit Abb. (Baugew.-Z. 1908, S.509.)“ – Quelle Zeitschrift für Architektur und Ingenieurswesen Jahrgang 1908 S.473

Bevor wir das Kapitel Paul Schenk abschließen, noch ein letzter zufälliger Fund aus der Baugewerks-Zeitung von 1908. Paul Schenk hat im Marbacher Weg 18 und 20 in Marburg 1908 die Doppelvilla Reising & Ziggler erbaut. Aufgrund des beengten Platzes an der Hanglage wurden die Villen der beiden auch sonst zusammenarbeitenden Bauunternehmer aneinander gebaut, wobei sich die Villen voeinander abheben sollten. So ist im nachfolgenden Zeitungstext zu lesen:

Doppelvilla Reising & Ziggel in Marburg a. Lahn.
Architekt: Paul Schenk in Oppurg i. Thür.
(Hierzu eine Kunstbeilage.)

In dem vom Lahnntal abzweigenden Seitentälchen, durch welches der Marbacherweg nach dem Bad Marbach führt und welches im unteren, an Marburg anschließenden Teil villenmäßig bebaut ist, hatte das Baugeschäft Reising & Ziggel in Marburg am Südabhang noch einen großen Garten liegen, welcher für eine Villa zu groß und für zwei freistehende Villen, der geringen Frontlänge des Grundstcks einesteils und der Berglage andernteils wegen, nicht günstig zu bebauen war. Aus vorgenannten Gründen kam man zu dem Entschluss, zwei Villen durch gemeinschaftliche Brandmauer getrennt, zusammenzubauen.

Der Grundriß beider Villen ist bestimmt durch zentrale Anlage einer Diele, um die sich die Wohnräume gruppieren. Die Küche ist jedesmal so angelegt, daß durch das Küchenpersonal der Eingang übersehen werden und das Oeffnen und Schließen des Haustür von da aus besorgt werden kann.

Im Kellergeschoß sind sieben Wirtschafts- und Weinkeller sowie Waschküche und Bügelzimmer untergebracht.

Im Erdgeschoß liegen: Diele, Wohnzimmer, Salon, Eßzimmer, Küche, Speisekammer und Klosett.

Im ersten Stock befinden sich die Schlafzimmer mit den nötigen Nebenräumen und im Dachgeschoß die Fremdenzimmer und die Räume für die Dienerschaft.

Die vorgebauten Erker bzw. Veranden sind so angelegt, daß das nach der Lahn abfallende Tal, welches mit den linken Lahnbergen als Hintergrund und der Elisabethkirche als Mittelpunkt einen schönen, malerischen Ausblick bietet, bequem übersehen werden kann.

Bei der Gestaltung des Aeußeren kam in Betracht, daß die beiden Bauten als zwei verschiedene Villen (der Bewohner wegen) in Erscheinung traten, daß diese jedoch auch wieder als Gesamtleistung des ausführenden Baugeschäfts zu erkennen waren. Es werden in der nächsten Nummer noch einige Abbildungen folgen.

Ferner wurde die hübsche Berglage, mit den reizvollen grünen Hintergrund und den selten schönen Bäumen, sowie die historische Bauart des malerischen Lahnstädtchens berücksichtigt, und so entstanden die Bauten, wie sie die beigegebenen Zeichnungen und Photographien zeigen.

Die Architekturteile sind rotem Lahnsandstein, die Flächen in hellgrauem, rauhem Zementputz, das Fachwerk in Eichenholz und das Dach in Schiefer ausgeführt.

Die Diele und das Eßzimmer erhielten Holzvertäfelung, die besseren Räume Parkettfoßboden. Die Heizung geschieht durch Niederdruckdampfheizung. Die Ausführungen aller Arbeiten geschahen in mustergültiger Weise durch das Baugeschäft Reising & Ziggel in Marburg.

Am Ende wird noch etwas Werbung für das eigene Geschäft gemacht. Die nachfolgenden Bilder und Zeichnungen aus der Baugewerks-Zeitung Nr. 43 & 44 von 1908 zeigen Photgraphien der Doppelvilla sowie deren Grundrisse.

Abbildung ?? – Südwestansicht Doppelhaus Reising & Ziggel in Marburg – Quelle: Baugewerks-Zeitung Nr. 43 S.478 vom 27.05.1908

Abbildung ?? – Südostansicht Doppelhaus Reising & Ziggel in Marburg – Quelle: Baugewerks-Zeitung Nr. 43 S.479 vom 27.05.1908

Abbildung ?? – Grudrisse Doppelhaus Reising & Ziggel in Marburg – Quelle: Baugewerks-Zeitung Nr. 43 S.480 vom 27.05.1908

Abbildung ?? – Bauzeichnung Ost- und Westansicht Doppelhaus Reising & Ziggel in Marburg – Quelle: Baugewerks-Zeitung Nr. 44 S.489 vom 27.05.1908

Abbildung ?? – Bauzeichnung Südansicht Doppelhaus Reising & Ziggel in Marburg – Quelle: Baugewerks-Zeitung Nr. 44 S.489 vom 27.05.1908

Die Doppelvilla im Marbacher Weg 18 bis 20 ist auch unter der Liste der Kulturdenkmäler in Marburg eingetragen. Hier wird das Baujahr der Doppelhaushälfte Marbacher Weg 18 (mit Erkerturm) mit 1901 und die des Marbacher Weg 20 (mit Sandsteinfassade) mit 1900 angegeben. Dies stimmt leider nicht mit den Angaben aus der Baugewerks-Zeitung von 1908 überein.

Durch Zufall steht eine Hälfte der Doppelvilla 2021 zum Verkauf, sodass sich fleißige Immobilienverkäufer daran gemacht haben die Villa innen sowie außen zu dokumentieren. Sogar ein virtueller Rundgang kann durch die Villenhälfte unternommen werden. Nachfolgend bekommt man einen sehr guten Eindruck was passiert, wenn man diese schönen Gebäude nur Rechtsanwaltskanzleien, Arztpraxen, Notaren und Banken überlasst.

Abbildung ?? – Außen- und Innenansichten Villa Reising & Ziggel 2021 – Quelle: Udo Graul

Falls Leserinnen oder Leser noch Informationen zum Architekten Paul Schenk, seiner Familie oder seinen Bauten ergänzen können, sind wir sehr daran interessiert diesen Abschnitt zu erweitern.

Der Einzug der Arbeiterklasse

Opa

Die Großstädter kommen

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